Carolin Stüdemann ist seit 2018 geschäftsführende Vorständin des Vereins Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. In ihrer Rolle als Geschäftsführerin vertritt sie den gemeinnützigen Vereins auf Veranstaltungen bei Panel-Talks und Keynotes. Neben den zentralen Aufgaben des Vereins präsentiert sie dabei auch immer wieder Themen wie Leadership, Organisationsentwicklung und Purpose-orientiertes Arbeiten. Am 12.03.2025 erscheint ihr Buch: Die Zukunft unseres Wassers, das sie gemeinsam mit dem Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Braun geschrieben hat.
Was hat es mit dem Buch auf sich? Wir fragen bei Carolin nach:
Liebe Carolin. Du hast ein Wasserbuch geschrieben. Wow. Erst einmal herzlichen Glückwunsch dazu! Uns alle bei Viva con Agua interessiert dieses Thema natürlich enorm. Warum glaubst du, dass auch viele weitere Menschen, sich mehr mit dem Thema beschäftigen sollten?
Caro: Seit Jahren engagieren wir uns für Wasser und das Buch ist ein Weg, die Faszination für unser wertvollstes Element und seine Bedeutung weiterzugeben. Es ist eine Einladung zu einer Reise durch die Welt des Wassers. Ich hinterfrage, in welchem Zustand sich Wasservorkommen in Deutschland und weltweit befinden, welchen Einfluss die Klimakrise darauf hat und wo Gemeinschaften bereits großartige Lösungen entwickelt haben.
Wasser wird, gerade hier in Deutschland, sehr selbstverständlich wahrgenommen. Wir drehen den Hahn auf und das Wasser sprudelt uns entgegen. Wir gehen auf die Toilette, die mit Trinkwasser gespült wird. In Deutschland rauschen rund 1.000 Milliarden Liter bestes Trinkwasser jedes Jahr durch unsere Klos. Damit könnte man 6,67 Mio Badewannen befüllen. Wir denken, der blaue Planet hat ausreichend Wasser. Doch Vorsicht: Der Großteil der Süßwasserreserven besteht aus Schnee und Eis, gebunden in Gletschern. Gerademal 2,5 Prozent des Wassers, das es weltweit gibt, ist Süßwasser. Lediglich 0,3 Prozent des Süßwassers sind dabei direkt für den Menschen zugänglich. Das zeigt die Kostbarkeit. Ich möchte mit dem Buch Aufmerksamkeit schaffen für die Grundlage des Lebens und die Wertschätzung für Wasser stärken.
Verhältnis des Anteils von Süßwasser zu Salzwasser auf der Erde. Credit: Julia Maria Sophie Knieß
Der tägliche Verbrauch an Wasser
Du hast den Wasserhahn und die Toilette angesprochen: kannst du eine Einschätzung geben, wie viel Wasser eine Person in Deutschland verbraucht?
Caro: Hier wird in zwei verschiedenen Bereiche unterschieden. Einmal der aktive Verbrauch von Wasser. Also all das Wasser, dass wir trinken, mit dem wir uns waschen oder die Spülmaschine nutzen. Da sprechen wir von ca. 130 Liter am Tag. Was aber eigentlich viel alarmierender ist, ist der virtuelle Wasserverbrauch. Denn viele Produkte, die wir essen oder mit denen wir uns kleiden, verbrauchen extrem viel Wasser in der Produktion. Wir importieren das Wasser durch die Produkte. Das virtuelle Wasser in Deutschland pro Person beträgt 7.200 Liter pro Tag.
Wow. Das ist natürlich eine gigantische Menge. Können wir etwas dafür tun, um diese Zahl zu verringern?
Caro: Auf jeden Fall. Aber hierzu gehört ein ganzheitlicher Blick nicht nur auf das Individuum sondern auch auf die gesellschaftliche Ebene. Dennoch gilt: Ein fleischfreier Tag pro Woche z.B. spart enorm viel Wasser. Über ein Jahr lassen sich so pro Person mehr als 45 000 Liter einsparen. Rindfleisch, Kaffee oder aber auch die Jeans gehören zu den größten Wasserverbrauchern. Was besonders auffällt: viele der Produkte mit hohen Wasserverbrauch importieren wir aus Ländern, die sowieso bereits unter Wasserstress leiden. Diese Bewusstseins-Bewegung kann durch Individuen angestoßen, aber nicht allein von ihnen getragen werden. Es ist an der Zeit, dass sich auf politischer und wirtschaftlicher Ebene Veränderungen einstellen und wassersparsame Verfahren überall eingesetzt werden. Das thematisiere ich im Buch!
Wasserverbrauch einzelner Lebensmittel. Grafik: Julia Marie Sophie Knieß.
Der Wasserverbrauch in der Wirtschaft
Was sind die größten Hebel, um Wasser zu sparen?
Caro: Industrie und Landwirtschaft sind immer noch die größten Verbraucher von Süßwasser. Unterm Strich wächst der Wasserbedarf aktuell etwa 1,7-mal schneller als die Zahl der Menschen. Der hohe industrielle Wasserverbrauch stellt eine erhebliche Belastung für die Wasserressourcen in Flüssen und im Grundwasser dar. Beispielhaft zeigt sich das am Tagebau für Kohle, der jährlich ca. 500 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht – etwa so viel wie elf Millionen Bürger und Bürgerinnen. Die größte Wassersparmaßnahme ist der Kohleausstieg.
Ein weiteres Beispiel ist die Wasserentnahme in der Landwirtschaft: In manchen Bundersländern in Deutschland dürfen Landwirte kostenfrei das Grundwasser verwenden. Das zeigt allein symbolträchtig, wie wenig Wert dem Wasser zuteil kommt. Es muss klare Regularien geben, wie viel Wasser für was verwendet werden darf. Die nationale Wasserstrategie, die im Anschluss an die Weltwasserkonferenz 2023 verabschiedet wurde, muss als klare Richtlinie gelten und umgesetzt werden.
Potentiale und Lösungen erkennen: Zukunft unseres Wassers
Du hast dich jetzt sehr intensiv mit dem Thema Wasser beschäftigt. Was hat dich in der Recherche am meisten beeindruckt?
Während der Recherchen habe ich viele Zusammenhänge neu verstanden. Alles ist miteinander verbunden. Und weltweit gibt es vielversprechende, vorhandene Lösungsansätze, die in der breiten Umsetzung Wasser schützen, sparen und das ökologische Gleichgewicht wieder herstellen. Die Ungleichheit weltweit ist nach wie vor riesig. Über 700 Millionen Menschen können nicht einmal ihre Grundversorgung mit sauberem Wasser decken.Persönlich beeindruckt und berührt hat mich aber der Austausch mit Maude Barlow, die auch einen Text für das Buch beigesteuert hat. Die Kanadierin hat durch ihr Engagement mit dazu beigetragen, das Wasser als ein Menschenrecht anerkannt wurde.
Es gibt riesige Potentiale: Indigene Völker und lokale Gemeinschaften auf der ganzen Welt sollten meiner Meinung nach als Vorreiter bei den globalen Naturschutzbemühungen anerkannt und unterstützt werden. Das Einbeziehen indigenen Wissens, wie es in Neuseeland, Australien, Kanada und anderen Ländern inzwischen praktiziert wird, bietet ein ganzheitliches Vorgehen, das Wasser im Kreislauf versteht und schützt. Wäre es nicht großartig, wenn Wasser in allen Kulturen mit Wertschätzung behandelt und auch juristisch mit Rechten versehen wäre? Und jedem Menschen jederzeit zugänglich ist? Dafür möchte ich, möchten wir uns als Viva con Agua einsetzen.
Vielen lieben Dank, Caro! Wir freuen uns schon sehr drauf, tief in deinem Wasserbuch zu schmökern und noch mehr von dir über die Zukunft unseres Wassers zu erfahren.